Selbstachtung und Stolz

 

Barbara Fredrickson benennt in ihrem Buch „Die Macht der guten Gefühle“ auch Stolz als eines der guten Gefühle. Stolz ist ein sehr zwiespältiges, vielfach negativ behaftetes Gefühl, wird auch als eine der sogenannten „Sieben Todsünden“ aufgelistet. Viele von uns sind mit Sprüchen aufgewachsen wie „Bescheidenheit ist eine Zier“, oder „Hochmut kommt vor den Fall“. Und natürlich kann ein Übermaß an Stolz zu Anmaßung, zu Hochmut und zu Arroganz führen, aber im Grunde genommen gilt für alle positiven Gefühle, dass sie sich durch eine Überbetonung ins Negative kehren können, z.B. kann sich Liebe in Abhängigkeit verkehren.

Schauen wir uns den Stolz einmal genauer an. Wann sagen wir „ich bin stolz“? Wir sagen es immer dann, wenn uns etwas sehr gut gelungen ist, wenn wir etwas Schwieriges hingekriegt haben, wenn wir eine Leistung erbracht haben. Wir sagen auch: „Ich bin stolz auf meine Kinder!“ Auch wenn wir damit die Leistung unserer Kinder meinen, hat es doch auch etwas mit mir, mit meiner Leistung zu tun, denn ich habe ja dieses Kind erzogen und damit einen Beitrag zu seinem „Gelingen geleistet“.

Ist es nicht so, wenn ich mich angestrengt habe, wenn ich an meine Grenzen gegangen bin und damit etwas geschaffen, vollbracht habe, dass ich dann mit Recht stolz darauf sein kann?

Ich denke, dass das etwas mit Selbstachtung zu tun hat. Wenn jemand anderer etwas gut macht, dann loben wir denjenigen ja auch, sprechen ihm unsere Bewunderung aus, würdigen und achten dessen Leistung. Warum sollte ich meine eigene Leistung nicht auch würdigen und achten, mir auf die Schulter klopfen und sagen, ja, das habe ich gut hingekriegt, ich bin stolz auf mich!

Jaja … ich höre die Unkenrufe „Selbstlob stinkt!“ – wer kennt sie nicht? Ich meine ja auch nicht, dass wir mit „stolzgeschwellter“ Brust herumrennen sollten, nur weil ich irgendetwas Alltägliches, Selbstverständliches gemacht habe, und ich meine auch nicht, dass Stolz angebracht ist für etwas, das mir mitgegeben wurde, meine schönen Augen oder meine sportlichen oder mathematischen Fähigkeiten – auch wenn wir uns daran erfreuen dürfen.

Nein, da muss schon ein wenig Anstrengung und Mühe dahinterstecken, und ich meine, dass dieses Gefühl des Stolzes dann am meisten angebracht ist, wenn es uns gelungen ist, eine Krise zu überwinden und zu wachsen und dadurch eine schwierige Situation zu meistern, eine scheinbar unüberwindliche Hürde zu überwinden, wenn ich über meinen Schatten gesprungen bin und einen bislang unlösbaren Konflikt gut gelöst habe. Da dürfen wir uns dann schon voller Selbstachtung im Spiegel anschauen und uns sagen: Gut gemacht!

 

Damit wird auch deutlich, was ich meine, wenn ich von Leistung spreche, nicht die Meter, die ich springen kann, das Tempo, in dem ich hundert Meter laufen, oder gar mit meinem Auto fahren kann, auch nicht die Anzahl der Geschäftsabschlüsse, die ich getätigt habe. Nein, ich rede von meiner menschlichen „Leistung“, von meiner Bereitschaft, über meinen Schatten zu springen, meinen „inneren Schweinehund“ zu überwinden, Neues zu wagen und daran zu wachsen. Achten wir uns dafür und seien wir stolz darauf!

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